Neubau des Wiener Stadt- und Landesarchivs im Gasometer D

Das Wiener Stadt- und Landesarchiv zählt mit seinen Beständen, die bis in das frühe 13. Jahrhundert zurückreichen, zu einem der größten Landesarchive Österreichs. Derzeit umfasst das Archiv über 100.000 Bände, davon etwa 75.000 Monografien, 22.500 Zeitschriftenbände aus rund 400 laufenden Zeitschriftenreihen. Zu den Besonderheiten zählen sicherlich das Testament Ludwig v. Beethovens oder die Pläne Otto Wagners zum Umbau Wiens aufbewahrt.

Die große Anzahl von Außenstellen (zuletzt 11 Stellen verteilt in den Bezirken 1., 7., 8., 16. und 20.) führte immer wieder zu Problemen. Einerseits mussten die Bestände für Benutzer teilweise quer durch Wien in das Rathaus transportiert werden und andererseits legten die Mitarbeiter selbst enorme Wegstrecken zurück. Der Wunsch effizient zu arbeiten und die Wartezeiten für Benutzer von manchmal einer Woche, weil der Transport quer durch Wien zur Einsichtstelle nur einmal wöchentlich möglich war, führten zur Überlegung, einen neuen Standort für das Archiv zu finden.

Erste Bemühungen dafür gab es bereits seit dem Jahr 1990. Aber erst durch eine Studie von Hermann Rumschöttel, dem Generaldirektor der Staatlichen Archive Bayerns (Stand 2002), einer geänderten politischen Situation im Wiener Stadtrat und einem 1996 getätigten Beschluss, die Stadtverwaltung betriebswirtschaftlich untersuchen zu lassen, führten die steten Bemühungen zu einem Erfolg. In der Gemeinderatssitzung vom 25. November 1997 wurde ein Antrag zur Einsetzung einer "Arbeitsgruppe Archivbau" einstimmig angenommen.

Nach Überprüfung mehrerer Varianten richtete man das Augenmerk auf das innovative Großbauprojekt der Revitalisierung der Wiener Gasometer. Einerseits bot das Projekt ideale Voraussetzungen für die notwendige Fläche, andererseits war durch die bereits in Planung befindliche U3 die öffentliche Anbindung gegeben. Als Detail am Rande sei erwähnt, dass für diesen Fall das Landesarchiv nur eine U-Bahnstation vom Österreichischen Staatsarchiv entfernt wäre. Nachdem im Frühjahr 1998 die politischen Verhandlungen zur Finanzierung konkrete Formen annahmen, wurde Kontakt mit dem Architekten Prof. Wilhelm Holzbauer aufgenommen. Gerade wegen der idealen Lage und der Einbindung in das multifunktionale Gesamtkonzept der Gasometer musste besonderes Augenmerk auf die Trennung zur Sicherheit des Archivs gesetzt werden. Einen weiteren großen Punkt stellt der Brandschutz für ein Archiv dieser Größe dar. Eine Wasserlöschanlage würde im Ernstfall zu großen und vor allem irreparablen Schaden anrichten, weshalb eine TRIGON-Gas Anlage installiert wurde, die für Menschen ungefährlich ist. Gleichzeitig wurde auch die Verlegung von Wasserrohren im Depotbereich vermieden.

Am 17. Dezember 1998 wurde der Gemeinderatsbeschluss gefällt, dieses Projekt mit einer maximalen Finanzierungssumme von 21.438.486 € (295.000.000 ATS) durchzuführen. Das Projekt sieht eine 100 prozentige Platzreserve vor. Somit umfasst das Archiv eine Fläche von 16.000 m², wobei 10.000 m² auf das Depot entfallen.

  Speicher Anliefe-
rung
Öffent-
lichkeit
Büro Werk-
stätten
Verkehr Sozial Technik Gesamt
6. Archivgeschoß 1377,98     521,3 261,92 433,59 70,41   2665,3
5. Archivgeschoß 1382,06     691   430,65 72,25   2576
4. Archivgeschoß 1141,39   825,98 201,9   254,32 70,2   2493,7
3. Archivgeschoß 2207,06         278,55 36,94 120,97 2643,5
2. Archivgeschoß 2354,61         260,45 36,94   2652
1. Archivgeschoß 1946,27 231,15       343,22 37,08 28,69 2586,4
Gesamt 10409,37 231,15 825,98 1414,2 261,92 2204,97 323,82 149,66 15821,20

Ein wichtiger Punkt in der Umsetzung war die Klimatisierung. Innerhalb der Depots sollte idealer weise eine Raumtemperatur von 16-18 Grad Celsius und eine relative Luftfeuchtigkeit von 55 Prozent herrschen und es muss eine langsame Änderung dieser Werte gewährleistet werden. Durch die baulichen Gegebenheiten kann dies, gestützt auf ein bauphysikalisches Gutachten von Herrn Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Viktor Stehno, durch Erdreich-Wärmetauscher bewerkstelligt werden. Über Leitungen wird die gefilterte und vorkondensierte Luft in das Archiv geleitet und im Kernschacht wieder abgeführt. Rund um den Gasometer wurden in der Berme drei "Luftbrunnen" errichtet, die mit groben, gewaschenem Kies gefüllt sind. Über diese erfolgt im Sommer die Kühlung und im Winter die Erwärmung der Luft.

Parallel zu den Bauaktivitäten plante eine Gruppe von Mitarbeitern unter der Leitung von Dr. Heinrich Berg die Übersiedlung des enormen Archivbestands. Im Rahmen des 14. Internationalen Archivkongresses vom 21.-26. September 2000 präsentierte das Wiener Landesarchiv sein Projekt. Das Archiv besteht aus 6 Geschossen. Die Ebenen 1-3, welche zwischen der Tiefgarage und der Einkaufsmall zu liegen kommen, werden als reine Depots genutzt und sind in drei Sektoren unterteilt. Auf der Ebene 1, die sich etwa 2,5 Meter über Straßenniveau befindet, erlaubt eine überdachte Zufahrt die Anlieferung neuer Bestände per LKWs und die Erstübernahme in entsprechenden Stauräumen. In den Ebenen 4-6 sind am äußeren Rand des historischen Gebäudes die Büros und Werkstätten untergebracht. Auf Ebene 4 befinden sich zusätzliche der Benützersaal für 42 und ein Vortragssaal, der Platz für 150 Personen bietet. Während die Büros am äußeren Rand angeordnet sind, und somit mit natürlichem Licht versorgt werden können, befinden sich im Inneren wieder Depots. Zwischen den Büros und dem Depots verlaufen konzentrische Gänge. Zwischen den 3 erwähnten Segmenten befinden sich die Stiegenhäuser und Liftanlagen, wobei zwei dieser Anlagen auch für den Transport von Lasten ausgelegt sind.

Mit April 2001 war der Neubau fertig gestellt. Die Mitarbeiter des Landesarchivs zogen noch im Mai in den Neubau um. Die Übersiedlung der Bestände begann im Juni und dauerte bis in das Jahr 2002. Dabei wurden in Summe 35.000 Laufmeter von Archivbeständen transportiert, wobei die Übersiedlung regalweise erfolgte. Mit dem 11. April 2002 wurden insgesamt 697 LWK-Fahrten verzeichnet.

Die Regale im Wiener Stadt- und Landesarchiv wurden von der Firma Arbitec-Forster geliefert.
Auch der Bericht der MA07 aus dem Jahre 1998 sei hier angeführt.

Am 26. September 2001 eröffnete der Wiener Bürgermeister Dr. Michael Häupl den neuen Standort. Der Vollbetrieb konnte mit dem 1. August 2002 wieder aufgenommen werden.